Ein Gastbeitrag von Uwe Meyer
Das gibt es nur bei Projekten, die der Bevölkerung total auf die Nerven gehen. Ein hoch beliebtes Bauwerk - hier das Gliesmaroder Bad- soll abgerissen werden,10% der Bevölkerung sprechen sich schriftlich dagegen aus, das Bad ist sinnvoll sanierungsfähig, ein Verein zum Erhalt des Bades sammelt Mitglieder, Stimmen und Geld. Belastbare Gutachten werden erstellt und von der Bevölkerung bezahlt. Vollkommen transparent wird alles der Bevölkerung und der Politik vorgestellt. Wenn das kein herausragendes Beispiel für Bürgerengagement ist, welches dann?
Und die verantwortlichen Politiker im Rat? Die SPD bleibt beim Abriss (Graffstedt). Die CDU bleibt beim Abriss (Wendroth). Die Grünen, BIBS und die Linke sind gegen den Abriss. So derzeit die verkürzte Meinung und kundgetan auf der Veranstaltung des "Förderverein Badezentrum Gliesmarode FBG e. V." am 21. Januar 2014.
Es war eine große Veranstaltung - nicht nur hinsichtlich der Anzahl der Interessierten (etwa 200), sondern auch weil die Veranstaltung ein Stück gelebter Demokratie war: Die Beteiligten kamen zu Wort, alte Beschlüsse wurden neu überdacht (Gutachten), Bürger griffen in die eigene Geldbörse für Allgemeininteressen, um Gegenvorschläge zu machen, die Öffentlichkeit war einbezogen, nichts wurde gekungelt (wie so oft im Rathaus), und es wurde deutlich, wie formal und wenig flexibel letztendlich unsere gewählten Vertreter der Mehrheitsparteien SPD und CDU im Rat sind. Argumente zählen nicht, denn Beratungsresistenz herrscht vor.
Zunächst stellte Herr Eisele das Bestandsgutachten vor. Ausführlich erläuterte er die Untersuchungsmethodik und den Umfang der Sanierungsnotwendigkeiten. Abschließend schätzte der den Kostenrahmen nach DIN-Norm.
Zweiter Vortragender was der Architekt Geisler und abschließend Professor Hans Struhk, beide struhk architekten. Geisler bewertete das Gliesmaroder Bad zwar als Sanierungsfall, doch auf jeden Fall als sinnvoll erhaltbar. Und das auch als verkleinerte Variante. Der Architekt Struhk hielt eine bewegende Rede und kämpfte um "sein" Bad, das nach wie vor architektonisch herausragend sei. Er plädierte dafür das Bad auch zu erhalten, weil im Zuge des demografischen Wandels zunehmend ältere Bürger die Bäder nutzen und diese in ihrer Nähe bräuchten. Das neue Erlebnisbad erfülle die Bedürfnisse der älteren Menschen nur ungenügend.
Und ohnehin, so mehrere Experten. Das neue Bad erfülle werder die Bedürfnisse der älteren Bürger, noch nachweislich die der Schulen für den Schulsport oder der Vereine für den Vereinssport. Das Gliesmaroder Bad werde schlicht gebraucht, was auch Dr. Büchs (BIBS) anhand von stadteigenen Erhebungen zur Sprache brachte.
Interessant die Bemerkung von Udo Sommerfeld (Die Linke): Das Erlebnisbad sei immer noch nicht eröffnet und die Bedingungen des Ratsbeschlusses für das Erlebnisbad und für den Abriss der drei anderen Bäder seien inzwischen völlig andere. Dieser Ratsbeschluss basiere auf völlig anderen Erwartungen, sowohl zeitlich als auch finanziell. Allein das Geld für die Kostensteigerung um inzwischen 8 Millionen habe der Rat nie beschlossen (siehe Anfrage).
Abschließen stellte sich die Frage einer Bürgerin: Wie geht die Stadt und wie gehen die Ratsparteien mit unserem Geld um. Da werden ohne Not und mit Verlusten die VW-Halle erworben, acht Millionen ohne Ratsbeschluss zusätzlich in ein Erlebnisbad investiert, bestehende und notwendige sanierungfähige Badstrukturen eingerissen, von den Verlusten durch die Privatisierungen von Stadtwerken und Abwasser ganz zu schweigen. Die Liste liesse sich endlos fortsetzen. Und überall ist die SPD dabei. Noch klingt es in den Ohren:
"Wir wollen mehr Demokratie wagen", schrieb der Landtagsabgeordnete Christos Pantazis am 9. November im Sinne von Willy Brandt. Das wurde von der SPD in den letzten Jahren schon dreimal in Braunschweig rausgeblasen. Mit dem Gliesmaroder Bad könnte man anfangen. Die Bürger haben weit mehr als Vorleistungen gebracht. Was dem Bürger fehlt ist die SPD - mal wieder!
Erstveröffentlicht im Braunschweig-Spiegel am 22.01.14
Veranstaltungsfoto: Rudolf Flentje, Braunschweiger Zeitung vom 21.01.14